Diplom - Psychologin
Sarah Willeke
Diplom - Psychologin Sarah Willeke
Was ist psychologische Online-Beratung?
Um was geht es?
Was genau ist psychologische Online-Beratung überhaupt? Viele Menschen denken bei einer psychologischen Dienstleistung als Erstes an eine Couch und ein Klemmbrett; wissen aber gar nicht, was sie tatsächlich erwartet. Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Beratung und Therapie?
Vor dem Blick auf das Online-Setting wird zunächst darauf eingegangen, was im Allgemeinen unter psychologischer Beratung zu verstehen ist.
Was ist psychologische Beratung?
In der psychologischen Beratung werden psychologische Maßnahmen und Methoden eingesetzt, die Menschen bei der Bewältigung von persönlich belastenden oder unsicheren Lebenssituationen und Konflikten unterstützen können. Die Beratung kann sich sowohl an Einzelpersonen, als auch an Paare und Familien richten. Beispiele für häufige Beratungsthemen, die ich in meinem Arbeitsalltag begleite, sind Beziehungskonflikte, Versagensängste, Selbstwertunsicherheiten, Kommunikationsschwierigkeiten, Eifersucht, Vertrauensprobleme und Trennungsbegleitung (weitere Beratungsthemen finden Sie hier). Eine psychologische Beratung bei PsychologInnen garantiert Ihnen die gesetzliche Schweigepflicht, zu der Berufspsychologen mit staatlich anerkannter wissenschaftlicher Abschlussprüfung nach §203 StGB verpflichtet sind.
Was beinhaltet psychologische Online-Beratung?
Psychologische Online-Beratung ist eine internetbasierte und interaktive Beratung. Der jeweilige Kommunikationskanal kann hierbei je nach Präferenz gewählt werden - schriftlich über E-Mail bzw. Chat oder auch mündlich über das Telefon oder eine Videokonferenz. Für die Video-Beratung wird eine stabile Internetverbindung, eine Webcam und ein Mikrofon/Headset benötigt. Die Verbindung ist durch eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gesichert. Im Folgenden wird auf die unterschiedlichen Beratungsformen im Online-Kontext eingegangen.
Video-Beratung
Die Video-Beratung bietet den Vorteil, sich gegenseitig wie bei einem Präsenz-Gespräch über eine Meeting-Software sehen und hören zu können. Durch Mimik und Gestik können Beratende einen Eindruck von der Stimmungslage der KlientInnen gewinnen. Das jeweilige Konferenzsystem kann von jedem Ratsuchenden problemlos genutzt werden und beinhaltet meist auch eine Chatfunktion. Wenn der Wunsch nach mehr Anonymität bestehen sollte, kann wahlweise auch die Kamera ausgeschaltet bleiben. Dies führt jedoch zu einem Verlust von Nähe und physischen Informationen, die für die beratende Person z.B. wichtig zur Erfassung von Emotionen der KlientInnen ist.
Nach der ersten Kontaktaufnahme (meist per E-Mail oder Telefon) ermöglicht das Erstgespräch mit Video zunächst ein gegenseitiges Kennenlernen. In dem Erstgespräch geht es neben dem Kennenlernen auch um das Herausarbeiten von Erwartungen, Zielen und Wünschen sowie um die Überprüfung, ob Beratung im Online-Kontext passend ist. So kann einerseits überprüft werden, ob der oder die KlientIn sich mit der beratenden Person wohlfühlt und andererseits, ob der oder die Beratende für das jeweilige Anliegen die richtige Begleitung ist. Nach Klärung der Rahmenbedingungen, kann dann ein erster Beratungstermin oder wenn gewünscht und sinnvoll ein Stundenpaket vereinbart und gebucht werden.
E-Mail-Beratung
Ein ebenfalls möglicher Beratungskanal ist die Kommunikation über E-Mail. Dieser eignet sich insbesondere für konkrete Fragestellungen und klar abgrenzbare Themen. Bei der ersten Kontaktaufnahme sollte das Anliegen ausführlicher geschildert und im Folgenden das Ziel klar benannt werden können.
Bei der Beratung per Mail wird mit gezielten Nachfragen, lösungsorientierten Denkanstößen und Übungen gearbeitet. Ratsuchende können hier selbst bestimmen, ob sie komplett anonym bleiben möchten und wann sie schreiben möchten, da dieses Beratungssetting nicht auf einen bestimmten Termin festgelegt ist. Sie können sich bei der Schilderung und Reflexion ihres Anliegens und ihrer Gefühle Zeit lassen, dadurch erfolgt eine Verlangsamung der Gedanken und durch genaue Formulierungen meist eine präzisere Betrachtung der empfundenen Problematik, die sich berets auf die eigene Lösungsfindung auswirken kann. Auf der anderen Seite führt der Verlust einer direkten Interaktion zu mehr Abstand zwischen BeraterIn und KlientIn – dies wird mitunter bei Wahl der Beratung per E-Mail jedoch meist bewusst oder auch unbewusst gewünscht. Ein weiterer wichtig zu erwähnender Punkt ist die Gefahr von Missverständnissen. In der psychologischen Beratung online per Mail kann es leichter zu Missverständnissen kommen. Zu dem kann nicht direkt nachgefragt werden und zwischen den Zeilen wird manchmal anderes wahrgenommen. Diese Missverständnisse sind jedoch nicht negativ zu bewerten, sondern können ein wichtiger Teil der Beratung sein, der sehr positiv genutzt werden kann. Denn wenn bemerkt wird, dass für Sie etwas nicht zutreffend ist, dann erfolgt eine stärkere Auseinandersetzung mit der Fragestellung, wodurch es im Verlauf zu Klärung und neuen Erkenntnissen kommen kann.
Ziele der psychologischen Online-Beratung
Durch Spiegelung der zugrundeliegenden Emotionen kommt es meist zur ersten Entlastung. Der oder die PsychologIn hilft KlientInnen zudem mit geeigneten Methoden und Übungen, ihre eigenen Ressourcen und Lösungspotenziale zu erkennen und auszubauen. Ziel ist es KlientInnen in die Lage versetzt, mit Problemen und Herausforderungen umgehen zu können und eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen, um so wieder an Lebensqualität, Wohlbefinden und Selbstvertrauen zu gelangen. Die angewandten Methoden, Hilfsmittel und Programme sind wissenschaftlich fundiert und die Beratenden in ihrer Anwendung entsprechend geschult. Bei der Auswahl der geeigneten Tools und während des gesamten Beratungsprozesses werden die individuellen Merkmale, Interessen, Motive und Möglichkeiten der Ratsuchenden berücksichtigt, um so auch den individuell verschiedenen Lebens- und Zielvorstellungen gerecht werden zu können.
Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich bei der psychologischen Beratung um einen Prozess handelt, der meist Zeit braucht. Bewältigungsstrategien, Problemlösekompetenzen und Entwicklungsperspektiven nachhaltig aufzubauen und zu entdecken, geschieht in der Regel nicht von heute auf morgen. Nichtsdestotrotz kann abhängig von der Herausforderung häufig schon nach der ersten Sitzung das Gefühl von Entlastung bemerkt werden. Die Aufrechterhaltung dieser und Weiterentwicklung hin zur Problemlösung stellen sich jedoch erst später ein. Hier sei noch gesagt, dass nicht alles in der Sitzung erreicht wird, vieles entwickelt sich durch die gesetzten Impulse zwischen den einzelnen Terminen. Zu einem späteren Zeitpunkt können dann noch einmal Termine zur Reflexion vereinbart werden, in denen die bisherige Entwicklung, Fortschritte oder auch eventuelle Rückschläge besprochen werden können.
Abgrenzung zwischen Beratung und Therapie
Die Abgrenzung der psychologischen Online-Beratung zur Therapie ist essenziell. Viele Betroffene, die an Depressionen, Angst-, Zwangs- oder Essstörungen leiden, wenden sich mitunter an eine Online-Beratung, weil die Wartezeit auf einen Therapieplatz aktuell sehr lang sind. Die psychologische Online-Beratung ist jedoch kein Ersatz für eine Psychotherapie und eignet sich nicht für akute psychische Krisen- oder Notsituationen (z.B. bei Suizidgefahr), da keine zuverlässige Diagnosestellung oder therapeutische Behandlung erfolgen kann. Eine Psychotherapie dient der längerfristigen Behandlung von diagnostizierten psychischen Erkrankungen. Bei schwerwiegenden psychischen Leiden sollte daher ein Termin vor Ort mit direktem persönlichem Kontakt zum einem approbierten psychologischen Psychotherapeuten oder Psychiater gewählt werden. Hierbei wird vor allem auch an der Einstellung der Betroffenen zu sich selbst und zu ihrer Umwelt gearbeitet, um dysfunktionale Denkschemata abzubauen und durch neue, positive Verhaltens- und Erlebensmuster zu ersetzen.
Darüber hinaus werden die Kosten für die Psychotherapie von den Krankenkassen übernommen (bei vorliegender Diagnose), wohingegen sich (psychologische) Beratungsangebote ausschließlich an Selbstzahlende richten. Weder die gesetzlichen noch die privaten Krankenkassen übernehmen die Kosten für psychologische Beratung, unabhängig davon, ob diese online oder vor Ort stattfindet.
Psychologische (Online-)Beratung unterstützt und begleitet Ratsuchende folglich dabei, einen Weg zur Lösung für bestimmte Herausforderungen zu finden, wohingegen Psychotherapie psychisch erkrankte Menschen in einem hierfür geeigneten Setting behandelt. Psychotherapie kann daher im Gegensatz zur psychologischen Beratung nicht pauschal online angeboten werden. Die Diagnosestellung muss vor Ort geschehen und die Übernahme von Sitzungen im Online-Format ist abhängig von der Art der Versicherung. Während der Pandemie gab es hier gezwungenermaßen zeitweise Anpassungen.
Fazit
Ist eine psychologische Beratung online das Richtige für mich?
Bei dieser Form der Beratung geht es also nicht darum, Ratschläge oder Handlungsanweisungen zu erteilen, sondern KlientInnen zu befähigen, ihre gegenwärtige Situation und ein konkretes Problem selbstwirksam und angemessen bewältigen zu können und eigene Handlungsalternativen zu entdecken.
Ob psychologische Online-Beratung die richtige Wahl ist, sollte in jedem Fall sowohl von Beratenden als auch von Ratsuchenden evaluiert werden. Es handelt sich immer um eine individuelle Entscheidung, die auch von der Art des Anliegens abhängt. Der Unterschied von Beratung und Therapie sollte dabei stets im Hinterkopf behalten werden. Abschließend lässt sich jedoch festhalten, dass zunächst nichts dagegen spricht, Kontakt aufzunehmen und ein unverbindliches Erstgespräch zu führen, wenn der Wunsch nach Unterstützung in einer schwierigen Lebensphase besteht. Die Beratung kann dabei helfen, den Weg in Richtung Lösung für die aktuelle Herausforderung leichter zu bewältigen.
Dieser Beitrag ist in Zusammenarbeit mit Dorothee-Emanuela Gohr entstanden.
